Samstag, 12. August 2017

Vila da Volta

Nun sind wir gerade erst hier in Brasilien angekommen, durften 2 wunderbare Tage in der Vila da Poetas verbringen, haben angefangen unsere Herzen zu oeffnen und die Magie des Ortes einzulassen, sollen aber schon wieder weiter zu unserem naechsten Abenteuer.

Ich spuere eine gewisse Traegheit in mir, denn einerseits wuerde ich das gerade erlebte gerne ein wenig setzen lassen und ein wenig in stiller Einsamkeit fuer mich sinnieren. Aber andererseits ist mir schon vor unserer Reise bewussst gewesen, dass ich mich  hierbei auf eine durchorganisierte Gruppenreise einlasse, die fast schon uebervoll an diversesten Programmpunkten ist.

Also heisst es Abschiednehmen von Ana, Reginaldo, Carlos und Fran - loslassen und ins Taxi steigen und 200 km  suedlich, in der Naehe von ARACATI/Ceará in der VILA DA VOLTA einzukehren.

Cashew-Frucht noch am Baum
Als ich nach 2 Stunden fahrt im Tiefkuehlwagen (super kalt is = super fancy) vertraeumt aus dem Wagen steige, setze ich meine Fuesse in warmen, weichen Sand unter riesen Ceshew-Nuss-Baumen voller reifer Fruechte. Aus den umliegenden Haeusern lachen uns neugierige Gesichter entgegen und im Gemeinschaftbereicht mit riesigem Esstisch erwartet uns die naechste starke Frau, um uns in ihrem Reich Willkommen zu heissen. Die gute Dona Menininha und der aufopfernde Fransisco sorgen naemlich hier fuer solidarischen Tourismus mit extra-intensivem Kulturprogramm.


Gemeinschaftbereich im Freien
 Mit extra-intensiv meine ich naemlich nicht nur die Diversitaet der Programme, sondern auch die Frequenz. Denn an unserem ersten ganzen Tag in der Vila da Volta starten wir zu gleich 4 spannenden Projekten.

Am Morgen, des 01.08. starten wir bei dem Projekt MULHERES DE CORPO & ALGA indem sich eine Gruppe von Frauen daran gemacht hat, Algen zu kultivieren und daraus sowohl Koerperpflegeprodukte als auch Koestlichkeiten wie Pudding oder Pizzateig fuer die Versorgung der lokalen Schule und Arbeiterschaft herzustellen. Das Meer ist ihr Produktionsort und die Verarbeitung findet in einem, von der Gemeinschaft errichtetem Haus statt. Auch der Garten rundherum ist voller kleiner Wunder fuer uns, denn ein Grossteil der hier wachsenden Koestlichkeiten ist uns unbekannt.

mir unbekannte Frucht
super leckere Acerola-Kirsche

Noni-Frucht


Anschliessend wird uns eine kurze Mittagspause gegoennt, bei der uns sowohl der Ausblick, als auch das aufgetischte Essen - Rochen, Hummer und Maniok-Fritter - wieder  den Atem verschlagen.

Ausblick vom Mittagstisch

Projekt 2, im gleichen Ort, DE OLHA NA AQUA, beschaeftigt sich mit dem Erhalt der hier noch vorhandenen Mangrovenwaelder und der darin lebenden Seekuehe. Auch liegt ihnen Erhalt des Wissens von lokalen Heilkraeutern und die Bestaeubung dieser durch Bienen stark am Herzen. Dies alles findet gerade deswegen hier statt, weil durch massive Zucht von Shrimps und die Gewinnung von Meersalz, das hier vorhandene Oekosystem stark gefaehrdet ist.

Als wir auf einem, durch den Mangroven-Wald errichtetem Pfad aufs Meer hinaus schreiten, gehen unsere Herzen vor Glueck ueber, denn der Sonnenuntergang taucht alles in ein zauberhaftes, rot-goldenes Licht, dass den gesamten Strand kilometerweit funkeln laesst.

Ein Kraeutergarten in PET-Flaschen

Ein Kraeutergarten in Form eines Menschen; die jeweils fuer das entsprechende Organ passenden Kraeuter wurden auch in die Organe ¨gepflanzt¨

Mangroven-Baby-Aufzucht

Entlang des Mangrovenlehrpfades gibt es spannendes zu entdecken
bei Ebbe liegt das Ende des Mangrovenlehrpfades im Trockenen

 Aber das soll noch lange nicht das Ende unseres ersten Programmtages hier in Aracati sein. Denn wir sehen uns auch noch eine oekologischere Meersalzgewinnungsanlage an.
riesige, mit Meersalz ueberzogene Flaechen so weit das Auge reicht

die Saline ¨Nazare¨versucht auf oekologischerem Wege (ohne chemischer Zusatzstoffe, die das empfindliche Oekosystem schwer beeintraechtigen wuerden) Salz zu gewinnen

 Als wir bei unserem letzten Programmpunkt des Tages ankommen, einem Ausstellungsraum fuer links-orientierte Revolutionsplakaten, bin ich weder in der Lage zu sprechen, geschweige denn Fotos zu machen und versuche nur noch mit der unpackbaren Vielfalt an sozial- und oekoligisch engagierten Projekten zurecht zu kommen und fange mich an zu fragen, was waere, wenn solch ein Engagement auch in der industrialisierten Welt anzutreffen waere - ohne kapitalistische Hintergedanken, aus reiner Liebe am Leben und unserem Planeten -  und gehe bei Dona Menininha nach einem koestlichen Abendessen schnurstracks ins Bett.



Aber am naechsten Morgen beginnt es so intensiv wie es am Vortag geendet hat. Denn wir besuchen Dona CaCau, eine unglaublich scharmante und agile 82 Jaehrige, die uns sowohl durch ihren eigenen Gemuesegarten fuehrt, als auch die Auswirkungen der massiven Shrimpszucht vor Augen fuehrt - ein erschuetternder Anblick.

abgestobende Mangrovenwaelder

Auch tiefgehend ist die Art und Weise wie sie und ihre Familie sich eine zusaetzliche Einnahmequelle sichern. Denn sie sammeln Muscheln aus dem Fluss (in welchen auch die Abwaesser der Shrimps-Farm geleitet werden...) und verkaufen diese an Restaurants. Aus 50 kg gefangender Muscheln werden dabei in haertester Arbeit der gesamten Familie, 3 kg Muschelfleisch, welches fuer den Verkauf geeignet ist, aus den Schalen gepult.



Muschelschalen so weit das Auge reicht

Aber noch nicht genug damit: denn ein Besuch einer der schoensten Strande Cearás, in Cenoa Cebrada, bei Sonnenuntergang, das Kennen lernen der Bodega von Menininha, die es lokalen Produzenten von Handwerkskunst ermoeglicht, ihre Produkte zu verkaufen, die Besichtigung des Museum in Aracati, welche die kolonialen Strukturen widerspiegelt bringen unsere Koepfe zum rauchen.

Sonnenuntergang auf einer der Riesenduenen in Cenoa

Kolonialer Scharm in Aracati

Menininhas Weltladenaehnliches Projekt zur Unterstuetzung der lokalen Produzenten von Handwerkskunst und Lebensmitteln
Noch emotional unfassbarer werden all diese Projekte im  Hinblick auf  die Tatsache, dass wir in der Vila da Volta bei lokalen Familien untergebracht sind, die uns mit unglaublicher Herzlichkeit aufnehmen, uns ihre Geschichte im Gemeindesaal vorstellen und mit uns singen, tanzen und spielen.

Francisco und die Maedels aus der Schule in Vila da Volta

Dank dem aufopferden Francisco, dessen Tag mindestens 36 Stunden haben muss, um bei all diesen Projekten mitwirken zu koennen, vergeht unsere Zeit in der Vila da Volta wie im Flug, aber dennoch fuehlt es sich an, als haette ich ein halbes Leben hier verbracht. Eindruecke und Emotionen ueberschlagen sich daher in meinem Kopf bei der Verabschiedung, aber schon jetzt weiss ich, dass ich ihnen in ewiger Dankbarkeit verbunden bin.

Verabschiedungsrunde Vila da Volta

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