Sonntag, 27. August 2017

Randgruppenkonfrontation

Wer meine letzten Eintraege verfolgt hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass ich bereits erste Anzeichen von massiver Ueberforderung gezeigt habe. Jeden Tag neue Orte, neue Menschen, Unterhaltungen in Deutsch/Englisch/Portugisisch/Spanisch und mein inneres Verlangen alles aufzusaugen, zu reflektieren, zu analysieren und mein Bild das ich von der Welt, von mir und ueberhaupt allem habe, wieder in ein grosses Ganzes zu setzen.

So wache ich am Freitag, 11. August genervt von Papageiengeschrei auf und das einzige das mir durch den Kopf huscht ist, dass ich nun bereits seit 2 Wochen in Brasilien bin und ueberhaupt seit 12. Juli nicht mehr wirklich ZUHAUSE in Wien war. Ich sehne mich massiv nach meiner Liebe, meiner Familie, meinen Freunden, meinem Zuhause, meinen Bastelprojekten und Ideen zur Weltverbesserung und wuerde mich am liebsten in meinem Klosterzimmer verbarikartieren, nichts und niemanden sehen wollen...

Ich steige dennoch in unseren Touri-Bus, mit unserem stets schlecht gelaunten Busfahrer. Das Programm wurde vorab auch nicht von mir gecheckt um meinen Ueberforderungsgrad nicht noch mehr herauszufordern und lasse mich wieder ueber unbefestigte, rot-erdige Pisten ins nirgendwo kutschieren. Bis wir ganz unvermittelt neben einem, von hohen Graesern und Stacheldraht umzaeuhnten Gelaende stehen bleiben, auf welchem sich ein Gebaeude mit der Aufschrift 'Terapeutica Paraiso' befindet. Und hier eroeffnet sich mir unser heutiger Programmpunkt - wir sind in einer Entzugsklinik fuer Alkoholkranke und Abhaengige von chemischen Drogen - eines der Projekte welches von Padre Geraldo unterstuetz wird, da es sich wieder um eine Randgruppenproblematik handelt.

Entzugsanstalt 'Paraiso' im Nirgendwo

Ich bin zu Beginn einfach nur entsetzt! Wie kann man Menschen nur so etwas zumuten? Ganz fern der Zivilisation fuehlt es sich hier fuer mich an, als ob man die Randgruppenproblematik tatsaechlich einfach an den Rand der Gesellschaft ins Nirgendwo verlegt, um es als Nicht-Betroffener nicht tagtaeglich sehen zu muessen. Die Personen die hier zum Entzug sind, sind freiwillig hier - fuer 9 Monate. Aber ich fuehle mich als waere ich gerade in meinem Bus zu Jurrassic-Parc kutschiert worden um dort die menschlichen Abgruende bewundern zu koennen.

Wir machen ein gemeinsames Vernetzungs/Austauschseminar mit den Klienten um ihre Motivation fuer den Entzug zu ergruenden, spazieren gemeinsam durch die parkaehnliche Anlage, streicheln Hundebabies... aber in meinem Kopf geht es Rund.

Denn langsam verstehe ich die Abgeschiedenheit. Es geht darum fernab von den tagtaeglichen Herausforderungen des Lebens, aber auch von den Konsumquellen, wieder vertrauen ins eigene ICH zu finden. Die Moeglichkeit zu bekommen, den eigenen Lebensweg zu sehen, ohne in Kummer und Sorge zu ertrinken bzw versuchen diese zu betaeuben.

Der Gedanke das man immer dann im Leben mit einer Herausforderung konfrontiert wird, wenn das Schicksal glaubt, dass es gerade fuer einen ertragbar ist, schiesst mir in den Kopf, sowie die Fragen aus unserem ersten Seminar in der Vila da Poetas (das sich anfuehlt als ob es in einem anderen Leben stattgefunden haette).

Von wo komme ich her? 
Wo befinde ich mich gerade?
Wo moeche ich hin? 

Diese Fragen stellen sich die Klienten hier wohl auch - unser gemeinsamer Nenner?

Denn diese Reise fuehlt sich auch ganz oft so fuer mich an, als ob ich mich freiwillig ins Exil verfrachtet haette. Ich bin nicht (nur) in Brasilien die Schoenheit der Landschaft oder die Liebenswuerdigkeit der Menschen zu geniessen, sondern habe mich auch irgendwie hierher begeben um Fragen in meinem Inneren zu beantworten. Jede physische Reise, stellt auch eine mentale Reise dar und das Programm der letzten Tage, aber vorallem heute konfrontiert mich massiv damit.

Denn wo komme ich her? Aus einem super-gestresstem Umfeld, wobei ich mir selber den Stress mache, da meine eigene Messlatte so hoch liegt und ich stets fuer alle da sein moechte.
Wo befinde ich mich gerade? Irgendwie an einer emotionallen Klippe, mit dem Gefuehl ganz dringend etwas aendern zu wollen um nicht vollauf aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Wo moechte ich hin? Weg von dem Gefuehl fluechten zu muessen, weil mir alles zu viel wird. Hin zu dem Punkt wo ich mir und anderen Grenzen stecke.

Diese Reise beruehrt tatsaechlich jede Facette meines Ichs und vielleich schaffe ich es ja diesmal einen Schritt naeher an innere Zufriedenheit zu gelangen.


Mittwoch, 23. August 2017

In der Savanne Brasiliens - das Cerrado

Endlich! Endlich! Endlich soll es nun am Donnerstag den 10.08. so weit sein! Wir sehen uns die Vegetationszone "Cerrado" mal etwas naeher an!

Wir stehen mal wieder super frueh auf und ich trage gleich mal in mein Buechlein "Kraeuterhexe" ein, setz mich etwas matt und abgeschlagen in den Bus und wir machen uns mal wieder auf den Weg ins Unbekannte, ueber so manche Buckelpiste... 

Maria Luisa bietet uns zum Fruehstueck
selbst gemachte Pao de Queijo an
Es ist eigentlich der perfekte Tag, die Sonne scheint, ein paar tolle Frauen sollen uns, nach einem koestlichen Fruehstueck durch das Cerrado fuehren und einen Teil ihrer medizinischen Heilpflanzen etwas naeher bringen. Aber irgendwie fuehle ich mich als ob ich am liebsten Zuhause geblieben waere... Ich fuehle mich nicht wirklich bereit dazu heute schon wieder neue Informationen von neuen liebenswerten Menschen aufzunehmen. Nicht in der Lage mich noch einer Vorstellungsrunde mit Mission und Vision und all dem blabla zu stellen. Mein Kopf ist immer noch mit den Ereignissen der letzten Tage, aber vor allem dem Kampf um Recht auf Land, beschaeftigt.
Dennoch stecke ich nun hier im Bus auf dem Weg ins Nirendwo. Staubtrocken weil gerade der Hoehepunkt der Trockenzeit ist (Mai bis September) und einfach schon Ewigkeiten kein Regen gefallen ist. Aber selbst wenn hier regen faellt, handelt es sich dennoch um uralte, verwitterte Boeden, die kaum noch Naehrstoffe in sich tragen, und deswegen keine Waldregion, sondern eben eine Savanne darstellen. Die Pflanzen hier muessen besondere Mechanismen entwickeln um dieser sauren Erde standhalten zu koennen. Und auch ueber der Erde haben sie spezielle Ueberlebensstrategien entwickelt um den beispielsweise relativ haeufig auftretenden Feuern stattzuhalten. Dicke, korkige Rinden sind daher recht haeufig zu finden, aber auch die ledrigen Blaetter von Gummibaeumen und sukulente Pflanzen koennen hier gut ueberleben.
korkige Rinde um haeufig auftretenden Feuern zu widerstehen


ledrige Blaetter und dicke Wolfsmilch dienen als Ueberlebensstrategie

Die Sonne brennt unermuedlich auf uns nieder, und Maria Luisa, die ihr immenses Pflanzenwissen bereits von ihren Eltern und Grosseltern vermittelt bekommen hat stapft munter vor uns her und kann beinahe jeder Pflanze eine medizinische Funktion zuordnen (und sei es auch nur, dass als aphrodisiakum ;) ). Leider bin ich, wie gesagt, im Kopf noch in den Vortagen gefangen und die tatsache, dass ich portugisisch zwar verstehe, aber nicht ueber 100 Meter Entfernung und leider auch keine Fachbegriffe, lassen meine Laune noch weiter sinken, denn auch mitschreiben ist so unmoeglich.

wundersame Vernetzungswerke

Aber den Kopf aus der bruetenden Hitze zu bekommen, ein wenig Essen (das hier meistens den besten Rucola den ich je gegessen habe enthaelt) und die Aussicht selber ein Oel aus Cerrado-Wundern herzustellen, verbessert meine Laune wieder.

Wir nehmen dafuer 5 Teile einer Baumrinde die sich ANGICO nennt, zerreissen sie in kleine Stuecke und giessen es mit 1 Teil Oel auf um die anscheinned lipophilen Substanzen zu loesen. Damit der ganze Prozess ein wenig beschleunigt wird, geben wir das Gemisch in ein Wasserbad und lassen es fuer ca. 30 min leicht koecheln. Bronchitis, Asthma, allergische Reaktionen der Atemwege sollen von unserem Oel gelindert werden, aber es soll auch abfuehrend sein, bei blauen Flecken, Infektionen der Haut, Veneninfektionen helfen... tja und als Massageoel kann man es auch noch verwenden.



Maria Luisa zeigt uns nebenbei noch eine Praesentation ueber die Naehrwerte und Vitamingehalte der hier wachsenden Pflanzen, denn sie haelt in den hier angrenzenden Gemeinden immer wieder Vortrage ueber die Naehrstoffzusammensetzung der Pflanzen und die Wichtigkeit gesunder Ernaehrung. Anscheinend hat die Region mit solchen Herausforderungen schwer zu kaempfen gehabt und durch kontinuierliche Schulung der Gemeinden koennte eine nachweisbare Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden. Was mein Ernaehrungswissenschaftlerherz noch ein wenig hoeher schlaegen laesst und mich aber auch wieder ein wenig traurig macht, da ich in meiner momentanen beruflichen Situation, recht wenig mit meinem eigentlichen Herzensthema zu tun habe. Aber was gerade nicht ist, kann ja wieder werden :)


Maria Luisa stellt alle moeglilchen wundersamen Tinkturen aus den Pflanzen des Cerrado her.



Montag, 21. August 2017

Recht auf Land - die Bewegung der Landlosen

Wenn man brav in die Schule geht, bekommt man mal nen guten Job. Geht man dann brav arbeiten, kann man sich ein wenig Geld zusammen sparen und sich tolle Sachen wie ein Auto oder gar ein Eigenheim leisten...

Auch wenn ich diesen Traeumen und Vorstellungen nicht wirklich nacheifere, so stellt es doch ein ganz klassisches Erwartungskonstruk fuer die Lebensplanung vieler dar. Was aber wenn die Schere zwischen Arm und Reich so gross ist, dass solche Ideen schon von vornherein wie Seifenblasen zerplatzen und am besten erst gar nicht gedacht werden?

Selbst hier in Oesterrreich habe ich das Gefuehl, dass die Idee des braven Sparers eine immer absurdere darstellt - selbst mit abgeschlossenem Studium und der Faehigkeit dem Druck der Gesellschaft und Arbeitswelt stand zu halten.

Aber was waere wenn man wieder von der kapitalistischen Lebensweise ein wenig Abstand nimmt? Wenn eine gleichmaessige Verteilung von Guetern und Land fuer alle ausreichend waere und vielleicht sogar den Traum vom Stueckchen Land doch wieder erreichbarer macht?

Eine in Lateinamerika sehr praesente Idee, die sich BEWEGUNG DER LANDLOSEN nennt, versucht durch Besetzungen und eisernem Durchhaltevermoegen sich dieses Recht zu erkaempfen und den Traum von der gemeinsamen Landbestellung zu erfuellen.

Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra - MST
Denn in Brasilien is es beispielsweise so, dass 50 % der landwirtschaftlich genutzten Flaechen nur 1 % der ¨Bauern¨gehoert und von denen dann die klassischen Bilder brasilianischer Grossgrundbesitzer bekannt sind.

Daher spielen politisch unterstuetze Landreformen immer wieder eine Rolle, die auf politisch-ideologischen, also auf Grunden der Fairness, basieren, aber auch sozial-wirtschaftliche Motive haben, denn oftmals wird  Land von Grossgrundbesitzer nur zu einem Bruchteil genutzt, wobei eine Umverteilung zu wesentlich besserer Nutzung durch Kleinbauern fuehren wuerde.

Durch die REFORMA AGRARIA wird in Brasilien (lt. Schulbuch der Tochter meiner Gastfamilie) seit den 1950 Jahren versucht, eine Umverteilung des Landes durch Aenderung gesetzlicher Regelungen zu erreichen. Doch bisher sind alle Versuche dies tatsaechlich zu aendern, an den Grossgrundbesitzern gescheitert, die sich nicht ihres Landes enteignen lassen wollen. Auch dem so hochgelobten Lula ist dies waehrend seiner Amtszeit nicht gelungen...

Bisher kannte ich nur das Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST), das sich anscheinend auf etwas radikalerem Wege versucht, Land zum eigenen Eigentum zu machen. Aber uns kommt hier immer wieder auch eine von der kirche unterstuetzte Landbewegung unter. Die CPD - Commisao Pastoral da Terra, versucht Land auf legalerem Weg zu erlangen, um Menschen Zugang zu Land zu ermoeglichen, da alle davon ueberzeugt sind, das Konsum in der Form, wie wir in Leben fuer unsere Welt nicht tragbar ist (was mich wiederrum besonders beruehrt, denn dieses Jahr ist der WORLD OVERSHOOT DAY, also der Tag an dem die Gesellschaft mehr an natuerlichen Ressourcen verbraucht hat, als ueberhaupt waehrend des restlichen Jahres von unserem Planeten hergestellt werden kann, bereits Anfang August gewesen...) und weil ein ehrliches Leben am Land, wie es bereits die Grosseltern gefuehrt haben, von vielen Familien, besonders in Bezug auf ihre Kinder, angestrebt wird.

Warum all die Muehe fuer das Recht auf Land? Fuer die LIEBE!
Die Organisation erfoglt dabei in Camps, die sich je nach rechtlichem Status als ACAMPAMIENTO (Camp ohne rechtlichen Landtitel, relativ unbefestigte Haeuser) oder ASIENTAMIENTOS (verfuegen ueber Landtitel, Haeser konnen befestigtere Formen annehmen) bezeichnet werden. Im brasilianischen Bundesstaat Goias befinden sich zur Zeit 43 Acampamientos und 26 Asientamientos, was in groesste Dichte solcher Bewegung in ganz Brasilien darstellt.

Aufgrund der Arbeit von Padre Geraldo duerfen wir fuer 2 Tage das neueste der goianischen Acampamientos besuchen. Das Landstueck, das ca 140 000 ha umfasst, wurde den hier ansaessigen Familien mit Hilfe der Gewerkschaft ueber die INCRA (Instituto Nacional de Coloniyacao e Reforma Agraria) verpachtet, die es zuvor einem Grossgrundbesitzer wegen Steuerhinterziehung enteignet hat.  

Schon am Vorabend unserer Reise merkt man die Anspannung deutlich unter uns. Was wird uns dort erwarten? Was heisst es Land zu besetzen? Unter welchen Lebensbedingungen lebt man, wenn man beschliesst eine Besetzung durchzufuehren?

Und so stehen wir am naechsten Morgen mit einem mulmigen Gefuehl auf, werden aber gleich nach dem Fruehstueck in der ersten Besprechungsrunde des Tages von Max empfangen, der fuer uns alles vor Ort in die Wege geleitet hat.

Fuer die 46 km Busfahrt benoetigen wir 2 Stunden, denn der Grossteil der Strecke ist eine unbefestigte Staubpiste, die uns die Traenen in die Augen treibt und unsere Haelser nach einer nie versiegenden Wasserquelle luesten laesst. Ab und zu sieht man ein paar Rinder, aber ansonsten fuehlen wir uns wirklich als ob wir nun tatsaechlich am sprichwoertlichen Arsch-der-Welt angekommen waeren.

Mit durchgeschuettelt und geruettelem flauen Magen steigen wir schliesslich aus unserem Backofen-Bus in das gleissende Licht vor einer niedrigen Steinhalle, wo uns bereits ein paar Frauen in Kochkitteln froehlich entgegen lachen und nach einer kurzen, aber herzilichen Begruessung ist das Eis gebrochen und wir machen uns froehlich ueber die fuer uns zubereiteten Koestlichkeiten her.  Danach folgt eine kurze gemeinsame Vorstellungsrunde, in der uns ein Teil der 46 hier ansassigen Familien ueber ihren Lebensalltag erzaehlt und von dem auch ein Teil der Informationen stammt, ueber die ich gerade eben geschrieben habe :)

der Traum vom Eigenheim
Und dann ist es endlich so weit, wir duerfen den Flecken Erde sehen, der fuer sie die Erfuellung ihrer Traeume darstellt. Fuer den sie in Kauf nehmen, zur Zeit nicht ueberall Stromversorgung zu haben. Wo gemeinsames Leben im Vordergrund steht und nur durch Zusammenhalt und Austausch von Guetern ein angenehmes Leben fuer jeden Moeglich ist. Wir werden ganz stolz von den einzelnen Familien durch ihre provisorischen Huetten gefuehrt, die aus einem Bambusgestaenge bestehen, welche mit einfachen Plastikplanen bespannt sind. Darin ist es in einen/mehrere Schlafraeume, einen offenen Kuechenbereich und manchmal sogar einen "Badezimmerbereich" (indem man sich nur mit einem Kuebel waschen kann) unterteilt. Oft umgibt ein kleines Gaertchen mit Gemuese, das zur Eigenversorgung oder dem Tausch dient, das Zelthaus und ueberall sind Kinder und Hundewelpen am spielen und ergeben fuer uns ein sehr idyllisches Bild.

so sieht eine Kueche aus, die mich gluecklich macht

Thaeni bei der Vorfuehrung ihres ganzen Stolzes,
 ihrem Gemuesegarten
Hunde-Welpen-Himmel

Wie ein Blitzschlag trifft mich die Offenheit der Leute und die Einfachheit ihrer Lebensumstaende mitten ins Herz. Trotz oder vielleicht gerade wegen der wenigen Dinge die sie besitzen, scheinen sie umso gluecklicher und unbeschwerter zu sein - auf das wesentliche fokussiert. Ich frage mich einmal mehr, wie immer auf Reisen (und das ist auch der Grund warum ich so voller Inbrunst versuche in solche Welten einzutauchen), wie ich solch eine Zufriedenheit in mir/mit mir in meiner Welt zu Hause erschaffen kann um auch mit solch einer Leichtigkeit durch das Leben zu schreiten. Von ganzem Herzen wuerde ich mir das nicht nur fuer mich, sondern auch fuer den Rest der verzagten Wesen wuenschen.


Aber um nicht ganz in der Ambivalenz des Moments unterzugehen, lasse ich mich weiter durch das 
Frischer Fisch fuer uns alle
Acampamiento fuehren, vorbei an vielen liebevollst gestalteten Haeuschen und Gaertchen bis hinunter zum Fluss, wo wir gemeinsam baden gehen und schliesslich zurueck ins Dorf, wo fuer uns ein riesiges Festessen mit Lagerfeuer vorbereitet wurde.
Da ich ein wenig der Liebe die uns im Laufe des Tages entgegen gekommen ist, zurueck geben will und ich sowieso nicht wirklich still sitzen kann, sitze ich schliesslich in einem Kreis voller Kinder und lerne ihnen mit Daniela gemeinsam wie man Armbaendchen knuepft und Sandra gibt Liebe in Form von Kartenspielen zurueck, wodurch das Gefuehl als ob wir uns alle schon viel laenger kennen wuerden, um ein vielfaches verstaerkt wird. 




Wie funktioniert das nochmals mit dem Melken?
Ueber Nacht haben einige der Familien sogar ihre Betten fuer uns geraeumt, damit wir voll und ganz in ihre Welt eintauchen koennen. Und so werde ich am naechsten Morgen von gackernden Huehnern und dem Geraeusch spielender Hundewelpen rund um die Huette geweckt, gekomme eine kurze Einfuehrung ins Kuehe melken (was - mal wieder - grandiosestens scheitert). Und waehrend die anderen vom Intercambio sich eine Schweinefarm in der Naehe ansehen, bleibe ich im Dorf, plaudere mit den Leuten. Um halb 11 faehrt schliesslich der Schulbus vor, nimmt eine ganze Horde an Kindern mit in die 35 km entfernte Schule (wofuer sie taeglich 2 h hin und 2 h zurueck unterwegs sind) und ich bleibe mit Fragen ueber Fragen in meinem Kopf zurueck.



mit den coolsten Kids

glueckliche Schueler vor der 2 stuendigen Busfahrt zur Schule



Donnerstag, 17. August 2017

Goias - vom Kloster aus ins Unbekante

Durch die Vorbereitungsseminare zum Lereinsatz sind mir Kloster mittlerweile kein unbekanntes Terrein mehr und daher freue ich mich umso mehr die wunderbare Landschaft des Cerrados sowie einige der spannenden Projekte die hier lokalisiert sind, von einem Kloster als home-base aus zu erkunden.

Das Kloster liegt in Goias, das ca 130 km noerdlich von Goiania liegt und wird von Padre Geraldo gefuhert, den wir schon am Vorabend bei dem grossen Intercambio-Treffen kennen lernen durften. Wie bereits angemerkt, ist der gleichnahmige Bundesstaat von savannengleichem Klima gepraegt aber hier fuehlt es sich nochmals eine Spur trockener und heisser an. Daher wuerde man eventuell nicht gleich vermuten, dass Goias der 4. wichtigste Erzeuger von landwirtschaftlichen Produkten in Brasilien ist. Auf unserem Weg entlang der Strasse wird dies aber recht rasch deutlich, denn wir duesen an  Feldern voller Soya und auch einigen Eukalyptus-Plantagen vorbei und auch landwirtschaftliche Grossmaschinen (und ich meine damit so richtig gross) werden zu Hauf zum Verkauf angeboten.

Goias umgeben von landwirtschaftlicher Nutzflaeche

Wie jedes Mal, ermueden mich Busreisen unwahrscheinlich und daher bin ich unheimlich Dankbar dafuer, dass mein Koerper schon fast so etwas wie eine super-hero-Kraft entwickelt hat und sobald ich in einen Bus steige, beinahe augenblicklich einschlafen...

...aber dafuer dann komplett verschwitzt und schwerstens geistig umnachtet wieder am Zielort erwachen laesst. Es ist mir dann sogar recht unangenehm mich mit anderen Menschen auszutauschen, denn ich moechte jedem Menschen, aber vorallem unbekannten Priestern, die uns voller grossherziger Gastfreundschaft aufnehmen, vollste Aufmerksamkeit und gespraechsbereitschaft entgegen bringen, dass aufgrund des erwaehnten schlaftruckenen Zustandes und auch aufgrund der Sprachbarriere nicht ganz moeglich ist.

kurze Eis-Runde in downtown Goias bevor wir uns entgueltig ins Klosterleben stuertzen

Wenzel und Padre Geraldo,
der immer zu Scherzen
aufgelegt ist
So lassen wir (denn den anderen der Gruppe geht es nicht viel anders) kurz nach dem Aussteigen gleich von Padre Geraldos unglaublichen Geschichten wach ruetteln. Denn Padre Geralde arbeitet vorallem mit Randgruppen wie Landlosen, Jugendlichen, Personen mit Suchterkrankungen und LGBT-Gruppierungen. Manaus war zuvor sein Arbeitsgebiet, aber aufgrund seines Engagements, wurde er dort bereits des oefteren mit dem Leben bedroht (von der !!Polizei!!) und auch Goiania musste er wegen aehnlicher Gefahren verlassen. Unser Lernen wird sich daher in den nachsten Tagen darauf fokusieren, einen Teil der Projekte, die zum Teil nur wegen des sozialen Engagements und durch intensive Zusammenarbeit entstehen und erbluehen konnten.




Somit wird in den naechsten Tagen unglaubliches zur Bewegung der Landlosen folgen, denn wir haben fuer 2 Tage (08.08. - 09.08.) in einem Acampamiento mit (er)leben duerfen, wurden von einer tollen Frau mit ueber Generationen uebermitteltem Wissen durch das Cerrado und seine anscheinend unendliche Vielfalt an Heilpflanzen gefuehrt (10.08.) und haben uns schliesslich mit einer Gruppe von Suchtkranken in einer, vom Kloster unterstuetzen Entzugsanstalt, ueber ihre Lebensrealitaeten unterhalten (11.08.), nebenbei noch den Bischof vom Bundesstaat Goias getroffen, und tagtaeglich unwahrscheinlich Gutes aus dem Klostergarten verspeist - wodurch unsere Woche in Goias zu einem mind-shaking Erlebnis werden sollte.

ich finde mein Equilibrium im Kloster durch das errichten eines Steinmaennchens



Montag, 14. August 2017

Ins Herzen Brasiliens - Goiania

Das Gebiet rund um Fortaleza wird von der Vegetationszone CAATINGO umgeben. Caatinga heisst wo viel wie weisse Baeume und genau diese weissen Baueme saeumen hier auch die Strassenraender im August. Waehrend der Trockenzeit, die gerade eben hier angefangen hat und von ca. August bis Jaenner reicht, werfen die Baueme all ihre Blaetter ab und uebrig bleibt ein Wald an Baumskeletten. Sobald jedoch der Regen kommt, schmueckt sich wieder alles mit strahlendem gruen und in einem wunderschoenen Blumenkleid. Leider geht es sich in unserem Reisezeitraum nicht mehr aus, Fortaleza und seine angrenzenden Gebiete erbluehen zu sehen, aber mir macht das sowieso nicht allzu viel aus, denn ich sehe mich eher als Savannentier. Je trockener und heisser, umso besser.

Und daher kommt mir unser naestes Reiseziel genau recht! Denn wir fliegen nun in der Nacht von 04.08. auf 05.08. ins Herz Brasiliens - ins Bundesland GOIS,von einer anderen, noch trockeneren Vegetationszone gepraegt wird - dem CERRADO! 

Ausblick auf Goiania
Aber zuerst heisst es erst einmal dorthin kommen... und das stellt sich doch wieder als anstrengender als erwartet heraus, denn wir muesen zuerst den gesamten Weg von der Vila da Volta zurueck nach Fortalza, anschliessend gefuehlte Ewigkeiten am Flughaufen auf unsere Check-In um kurz nach Mitternach warten, gefolgt von dem Versuch verkruemmt auf den Flughafensitzen Schlaf zu finden, um nach 2 h Flug von Fortaleza nach Brasilia, das gleiche Prozedere vor dem Flieger von Brasilia nach Goiania durchzumachen.... nur um sich die Distanzen hier in Brasilien ein bisschen besser vorstellen zu koennen: Die Strecke Fortalza - Goiania entspricht etwa der von Wien nach Barcelona (1800 km).


Claudia versorgt uns mit Koestlichkeiten
Nach der intensiven Programmwoche und der ermuedenten Reise, ist eigentlich mein sehnlichster Wunsch ein bisschen Ruhe. Was mir gar ein wenig ueber mich selber staunen laesst. Denn die letzten Jahre gab es kaum ein Stop fuer mich. Abenteuer ist Abenteuer gefolgt und ich habe mich des Erlebens nie muede gefuehlt. Aber vielleicht gerade deswegen, weil ich mir nie Pause gegoennt habe, merke ich nun umso intensiver, dass ein wenig in mich kehren, das Erlebte in Relation zu meinem Leben zu setzen und nicht noch ein Abenteuer drauf setzen angenehm waere.


Und dies wird uns hier in Goiania auch teils gewaehrt. Wir sind bei unseren lieben Begleitern Claudia, Wileyund Bergi von Cajueiro untergebracht, haben teils eigene Zimmer, duerfen an 2 Vormittagen ausschlafen und ein wenig gemeinsam durch die Stadt spazieren, dabei ein paar Affen im Park bewundern und Kokosnuesse schluerfen. Die 3 versorgen uns liebevollst mit brasilianischen Koestlichkeiten und zeigen uns auch wie man zum brasilianischen Nationalmusikstil - dem Forró - tanzt.

wir lernen unsere Reise-Beschuetzer ein wenig besser kennen -
 hier Bergi mit seiner Balkonkunst

Schliesslich fahren wir am Sonntag, noch zu etwas, dass sich eigentlich wie ein grosses Familienfest anfuehlt, denn es wird 20 Jahre Intercambio zwischen DKA und Cajueiro gefeiert und all jene die ueber die letzten Jahrezehnte in Brasilien an Austauschprojekten beteiligt waren bzw selber Oesterreich besichtigen durften, tauschen dort sehr gefuehlvoll ihre Erfahrungen aus.

Um das kulturelle Eintauchen noch leichter zu machen, gibt es FEIJOADA - ein typisch brasilianischer Eintopf aus Bohnen, Schweinefleisch und -fuessen, Rauchfleisch und noch vielem mehr, der eigentlich ein Ueberbleibsl aus der Kolonialzeit ist und von den Sklaven aus den Essensresten ihrer Herren hergestellt wurde.

Wir essen und lachen und tanzen bis der Mond uns froehlich vom Himmel entgegenlacht und beenden unseren Tag mit der Vorbesprechung fuer die intensive Erkundung des CERRADO die kommenden Tage.


Samstag, 12. August 2017

Vila da Volta

Nun sind wir gerade erst hier in Brasilien angekommen, durften 2 wunderbare Tage in der Vila da Poetas verbringen, haben angefangen unsere Herzen zu oeffnen und die Magie des Ortes einzulassen, sollen aber schon wieder weiter zu unserem naechsten Abenteuer.

Ich spuere eine gewisse Traegheit in mir, denn einerseits wuerde ich das gerade erlebte gerne ein wenig setzen lassen und ein wenig in stiller Einsamkeit fuer mich sinnieren. Aber andererseits ist mir schon vor unserer Reise bewussst gewesen, dass ich mich  hierbei auf eine durchorganisierte Gruppenreise einlasse, die fast schon uebervoll an diversesten Programmpunkten ist.

Also heisst es Abschiednehmen von Ana, Reginaldo, Carlos und Fran - loslassen und ins Taxi steigen und 200 km  suedlich, in der Naehe von ARACATI/Ceará in der VILA DA VOLTA einzukehren.

Cashew-Frucht noch am Baum
Als ich nach 2 Stunden fahrt im Tiefkuehlwagen (super kalt is = super fancy) vertraeumt aus dem Wagen steige, setze ich meine Fuesse in warmen, weichen Sand unter riesen Ceshew-Nuss-Baumen voller reifer Fruechte. Aus den umliegenden Haeusern lachen uns neugierige Gesichter entgegen und im Gemeinschaftbereicht mit riesigem Esstisch erwartet uns die naechste starke Frau, um uns in ihrem Reich Willkommen zu heissen. Die gute Dona Menininha und der aufopfernde Fransisco sorgen naemlich hier fuer solidarischen Tourismus mit extra-intensivem Kulturprogramm.


Gemeinschaftbereich im Freien
 Mit extra-intensiv meine ich naemlich nicht nur die Diversitaet der Programme, sondern auch die Frequenz. Denn an unserem ersten ganzen Tag in der Vila da Volta starten wir zu gleich 4 spannenden Projekten.

Am Morgen, des 01.08. starten wir bei dem Projekt MULHERES DE CORPO & ALGA indem sich eine Gruppe von Frauen daran gemacht hat, Algen zu kultivieren und daraus sowohl Koerperpflegeprodukte als auch Koestlichkeiten wie Pudding oder Pizzateig fuer die Versorgung der lokalen Schule und Arbeiterschaft herzustellen. Das Meer ist ihr Produktionsort und die Verarbeitung findet in einem, von der Gemeinschaft errichtetem Haus statt. Auch der Garten rundherum ist voller kleiner Wunder fuer uns, denn ein Grossteil der hier wachsenden Koestlichkeiten ist uns unbekannt.

mir unbekannte Frucht
super leckere Acerola-Kirsche

Noni-Frucht


Anschliessend wird uns eine kurze Mittagspause gegoennt, bei der uns sowohl der Ausblick, als auch das aufgetischte Essen - Rochen, Hummer und Maniok-Fritter - wieder  den Atem verschlagen.

Ausblick vom Mittagstisch

Projekt 2, im gleichen Ort, DE OLHA NA AQUA, beschaeftigt sich mit dem Erhalt der hier noch vorhandenen Mangrovenwaelder und der darin lebenden Seekuehe. Auch liegt ihnen Erhalt des Wissens von lokalen Heilkraeutern und die Bestaeubung dieser durch Bienen stark am Herzen. Dies alles findet gerade deswegen hier statt, weil durch massive Zucht von Shrimps und die Gewinnung von Meersalz, das hier vorhandene Oekosystem stark gefaehrdet ist.

Als wir auf einem, durch den Mangroven-Wald errichtetem Pfad aufs Meer hinaus schreiten, gehen unsere Herzen vor Glueck ueber, denn der Sonnenuntergang taucht alles in ein zauberhaftes, rot-goldenes Licht, dass den gesamten Strand kilometerweit funkeln laesst.

Ein Kraeutergarten in PET-Flaschen

Ein Kraeutergarten in Form eines Menschen; die jeweils fuer das entsprechende Organ passenden Kraeuter wurden auch in die Organe ¨gepflanzt¨

Mangroven-Baby-Aufzucht

Entlang des Mangrovenlehrpfades gibt es spannendes zu entdecken
bei Ebbe liegt das Ende des Mangrovenlehrpfades im Trockenen

 Aber das soll noch lange nicht das Ende unseres ersten Programmtages hier in Aracati sein. Denn wir sehen uns auch noch eine oekologischere Meersalzgewinnungsanlage an.
riesige, mit Meersalz ueberzogene Flaechen so weit das Auge reicht

die Saline ¨Nazare¨versucht auf oekologischerem Wege (ohne chemischer Zusatzstoffe, die das empfindliche Oekosystem schwer beeintraechtigen wuerden) Salz zu gewinnen

 Als wir bei unserem letzten Programmpunkt des Tages ankommen, einem Ausstellungsraum fuer links-orientierte Revolutionsplakaten, bin ich weder in der Lage zu sprechen, geschweige denn Fotos zu machen und versuche nur noch mit der unpackbaren Vielfalt an sozial- und oekoligisch engagierten Projekten zurecht zu kommen und fange mich an zu fragen, was waere, wenn solch ein Engagement auch in der industrialisierten Welt anzutreffen waere - ohne kapitalistische Hintergedanken, aus reiner Liebe am Leben und unserem Planeten -  und gehe bei Dona Menininha nach einem koestlichen Abendessen schnurstracks ins Bett.



Aber am naechsten Morgen beginnt es so intensiv wie es am Vortag geendet hat. Denn wir besuchen Dona CaCau, eine unglaublich scharmante und agile 82 Jaehrige, die uns sowohl durch ihren eigenen Gemuesegarten fuehrt, als auch die Auswirkungen der massiven Shrimpszucht vor Augen fuehrt - ein erschuetternder Anblick.

abgestobende Mangrovenwaelder

Auch tiefgehend ist die Art und Weise wie sie und ihre Familie sich eine zusaetzliche Einnahmequelle sichern. Denn sie sammeln Muscheln aus dem Fluss (in welchen auch die Abwaesser der Shrimps-Farm geleitet werden...) und verkaufen diese an Restaurants. Aus 50 kg gefangender Muscheln werden dabei in haertester Arbeit der gesamten Familie, 3 kg Muschelfleisch, welches fuer den Verkauf geeignet ist, aus den Schalen gepult.



Muschelschalen so weit das Auge reicht

Aber noch nicht genug damit: denn ein Besuch einer der schoensten Strande Cearás, in Cenoa Cebrada, bei Sonnenuntergang, das Kennen lernen der Bodega von Menininha, die es lokalen Produzenten von Handwerkskunst ermoeglicht, ihre Produkte zu verkaufen, die Besichtigung des Museum in Aracati, welche die kolonialen Strukturen widerspiegelt bringen unsere Koepfe zum rauchen.

Sonnenuntergang auf einer der Riesenduenen in Cenoa

Kolonialer Scharm in Aracati

Menininhas Weltladenaehnliches Projekt zur Unterstuetzung der lokalen Produzenten von Handwerkskunst und Lebensmitteln
Noch emotional unfassbarer werden all diese Projekte im  Hinblick auf  die Tatsache, dass wir in der Vila da Volta bei lokalen Familien untergebracht sind, die uns mit unglaublicher Herzlichkeit aufnehmen, uns ihre Geschichte im Gemeindesaal vorstellen und mit uns singen, tanzen und spielen.

Francisco und die Maedels aus der Schule in Vila da Volta

Dank dem aufopferden Francisco, dessen Tag mindestens 36 Stunden haben muss, um bei all diesen Projekten mitwirken zu koennen, vergeht unsere Zeit in der Vila da Volta wie im Flug, aber dennoch fuehlt es sich an, als haette ich ein halbes Leben hier verbracht. Eindruecke und Emotionen ueberschlagen sich daher in meinem Kopf bei der Verabschiedung, aber schon jetzt weiss ich, dass ich ihnen in ewiger Dankbarkeit verbunden bin.

Verabschiedungsrunde Vila da Volta

Montag, 7. August 2017

Vila da Poesia

Von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent - die physische Reise ist relativ schnell erledigt. Es dauert nur ein ein bisschen mehr als 1 1/2 Tage um die unglaubliche Distanz von 17500 km zurück zu legen, die wir mit all unseren Zwischenstops gemacht haben (nur so am Rande: der Äquator hat eine Länge von ca. 40000 km, das heißt wir haben mehr als ein Drittel dieser Distanz zurück gelegt...).

Aber wie schafft es der Geist, all das zu überwinden? Wie kann man die kleinen, aber auch großem Unterschiede in sich aufnehmen, wenn man sich nach solch einer Reise wie in Watte gehüllt fühlt und eventuell im Herzen noch ein großes (Sorgen/Hoffnungs)-Binkerl mit sich herum trägt?

Als wir in Fortalzea ankommen, mein Genick und meine Beine sich so anfühlen als hätte ich mich zu Pinocchio materialisiert, mein Kopf dröhnt wie ein Presslufthammer und meine Ohren summen wie ein Bienenschwarm, werden wir mit einem herzlichen Lächeln von Carmen, Wiley und Bergi vom Cajueiro abgeholt. Dem Cajueiro-Team dürfte, trotz des Versuchs unserer seits ein Lächeln aufzusetzen, bewusst sein, dass wir ziemlich paralysiert sind und haben deswegen etwas ganz besonderes für das physische, aber vorallem geistige Ankommen angedacht.

Denn 40 Minuten von Fortaleza entfernt, in Maranguape (Bundesland: Ceará), liegt in einer  kleinen Seitenstraße  versteckt, ein wundersamer Ort von Dichtern und Künstlern und tief naturverbundenen Menschen, die versuchen auf solidarischer Ökonomie basierend, sich und all jenen die willig sind sich darauf einzulassen, ein Leben zu ermöglichen, dass Abseits der neoliberalen, kapitalistischen Strukturen liegt. Dort werden Worte zu herzensheilenden Gedichten geformt, die auch des Nächtens die Sonne im Inneren unserer selbst zum Strahlen bringen und wo jede Mahlzeit, nicht nur der physischen Stärkung dient, sondern das soziale Gleichgewicht durch Austauch ermöglichen soll. Die VILA DA POESIA.

Und genau so werden wir hier empfangen:  von fröhliche Gesichter mit Lachfältchen rund um die Augen, rund um einen gemeinsamen Esstisch der kommunalen Küche inmitten eines bezaubernden Gärtchens. Wir werden alle mit einer Umarmung begrüßt! Doch wir lieben, kleinen Reisenden sind noch zu sehr von der Reise mitgenommen, Essen daher nur sehr zaghaft und verabschieden und recht rasch in unsere Betten....




.... um am nächsten Morgen von ryhtmischen Männergesang (anscheindend aus der Küche) geweckt zu werden.
Fran und Carlos bei der singenden Zubereitung des Essens
Was sich uns hier nun die nächsten 2 Tage darbietet, ist beinahe unbeschreiblich und auch kaum von mir zu diesem Zeitpunkt aufnehmbar, da es so viel wundersames zugleich ist, ich aber immer noch im Geist, nach europäischen Maßstäben ticke. Ich möchte aber dennoch versuchen, einen kleinen Eindruck zu ermöglichen.

Ganz wichtig ist mir dabei, dass natürlich jeder Ort seine Magie hat, aber erst die Menschen vor Ort machen es zu einer einzigartigen Kombination. Am tiefsten berührt mich in der VILA DA POESIA die zauberhafte Ana, die von meinem Gefühl her hier die spirituelle Leitung über hat. Eine unglaublich ausdrucksstarke Frau, die tiefe innere Ruhe ausstrahlt, aber ein unbeschreibliches Wissen über Natur und spirituelle Welten in  sich trägt.

Und sie ist die jenige, die uns Versucht ein Ankommen zu ermöglichen. Sie wandert mit uns durch den Garten und zeigt uns die Pflanzenwelt, die sie umgibt. Angefangen von Gemüsepflanzen, bis hin zu einem Baum, der den dort vorher ansässigen Indigenen heilig ist und Ayahuasca-Ähnliche Inhaltsstoffe in sich trägt. 

Jurema - der heilige Baum der lokalen Indigenen

Okra wird hier auch angebaut

aus den Früchten des Baum "busa" macht man Schwämme

bekannte Weggefährten trifft man hier...

.... so wie auch unbekanntere Weggefährten!

 new Stabheuschrecken-Buddy


Ana leitet mit uns auch eine eizigartige Stärkung unserer Basis an, indem sie uns einen ganz speziellen Tee aufkocht, indem wir uns unsere Füße waschen sollen - und zwar gegenseitig! Ein Ding der Unmöglichkeit in Europa, wo solch körperliche Nähe nie und nimmer in dieser Form gelebt und genossen werden könnte.
vor der gegenseitigen Fußwaschung







Reginaldo beim Vortragen eines Gedichtes
Begleitet wird dieses Programm stehts von den vor Ort lebenden Dichtern, die uns selbst geschriebenen Gedichte vortragen. Das sie ihre Inspiration aber auch von anderen Dichtern haben, zeigt sich nicht nur darin, das sie uns zb Werke von Cora Coralina vortragen, sondern auch darin, dass sie ihre Häuser die sich auf dem gesamten Gelände verteilen, nach ihnen benannt haben.
überall im Garten sind poetische Texte verteilt















Auch das Team von Cajueiro trägt seinen Teil zu unser Willkommensheißung in Brasilien bei und hält mit uns ein Seminar ab, bei dem wir versuchen dominante Machtstrukturen zu identifizieren und versuchen Alternativen zu finden, wie sie uns aber Anhand der solidarische Ökonomie in der Vila da Poesia bereits vorgelebt wird.
Vorbereitung des Caju-Teams für unser Seminar
Kurz vor unserer Abreise dürfen wir sogar noch gemeinsam einen Baum pflanzen um hier für Ewig mit einem Teil verwurzelt zu sein.

Wenzel bei den Vorbereitungsarbeiten für unseren Baum

nach österreichischer Manier.... einer hackelt, der Rest sieht zu...

Aber auch wenn uns hier wirklich unbeschreibliches geboten wird, fühle ich mich dennoch oft nicht ganz angekommen und kann nicht alles in vollen Zügen genießen, da ich so gerne etwas mit der gleichen künstlerischen Einzigartigkeit zurück geben würde. Was alleine schon wegen der sprachlichen Barriere und des knappen Zeitplans kaum möglich ist. 

Dennoch schaffen wir es, die uns gegebene Energieein wenig zu tranformieren, indem wir wunderschöne Steine aus dem Garten mit den uns präsentesten Wörtern der Dichter in kleine Änhänger knüpfen und ihnen zum Abschied überrreich und ein wenig offener unserem nächsten Ziel entgegen eilen.